Willkommen, zum zweiten Blog von »Pferdefresse«. Heute meldet er sich zum ersten Mal direkt zu Wort: Willi, das Seepferdchen. Meine frisch gewonnene Lieblingsmarke sowie der Hauptdarsteller in dieser Geschichte zum Thema Marke und Kommunikation. Ja, meine Lieblingsmarke beginnt gleich zu kommunizieren und stellt sich euch vor. Das Projekt hat somit einen Namen, und damit fängt in der Regel alles an. Hinter jedem Namen steckt eine ganz individuelle Geschichte – es schadet nie, die zu kennen…
Keine Lust zu Lesen? Hier ist die Audio-Datei zum folgenden Blog-Beitrag:

Love Brand.
Lieblingsmarke.
So simple, isn’t it?
Zeit zum Lernen
Wie er da steht, mit seinem Notizbuch, mit seinem Telefon am Bilder machen, der Pate-Razzi. Pah. Der Sponsor, der selbsternannte Markenexperte. Ich bin seine Marke, hat er gesagt, deshalb brauche er von mir Bilder. Möglichst viele, aus zig Perspektiven.
Jaja, Pate, mach du nur. ABER: vorerst arbeitest du für mich. Du darfst meine Stimme sein, meine rechte Hand, wenn du dich gut anstellst. Und dann sehen wir vielleicht mal weiter.
Das mit der rechten Hand träfe sich übrigens recht gut, denn ich benutze mangels Arme schon meinen Schwanz, damit ich mich festhalten kann. Ich kann Hilfe gebrauchen – aber wo und wie, das sag dann schon ich dir. Wenn i will.
Ja, Willi oder Willi ned? Will ich sprechen? Will ich nicht? Ich will. Ich kann, wie gesagt, nur nicht. Denn ich befinde mich hinter Glas, umgeben von schlammgrünem H2O, welches meinen natürlichen Lebensraum nachempfinden soll. Geschmeidige 10 bis 18 Grad. Wer sein Leben in so einer Welt verbringt und doch begeistert Neugierde oder Wissensdurst befriedigen will, der lernt. Ganz automatisch. Und Zeit zum Lernen habe ich, weil meine Welt an und für sich eben eine sehr kleine ist.
Ich bin ein Seepferdchen. Und Seepferdchen sprechen grundsätzlich nicht. Schon gar nicht über Marken. Wir sind auch keine Marken oder Pferde. Wir sind nicht mal gute Zuhörer, so ohne Ohren. Eigentlich sind wir Fische. Nur Fische.
Bis jetzt.

Markenkommunikation
ist merkwürdig.
Wenn du es richtig machst.
Der erste Schritt zum Branding
Seepferdchen haben nämlich in der Regel auch keinen Paten. Oder gar einen Namen. Es ist eine außergewöhnliche Beziehung, die sich hier anbahnt. Tatsächlich.
Umso wichtiger ist es doch, dass ich von Beginn an ganz ehrlich bin und noch einmal auf die Sache mit dem Namen zurück komme: Willi, meine Fresse, spinnt der?! Willi…
Das mit dem Namen, das ist so ne Menschensache, richtig? Kaum ist etwas neu in eurem Leben, gebt ihr dem Kind einen Namen. Ihr brandet es, sagt der Pate. Seid ihr eigentlich irre? Klingt nach »Verbrennen«?!
Okay, scheiß auf den Namen. Was es hier braucht, ist kein Name. Um eine Gemeinschaft, ein Team nach vorne zu bringen, es erfolgreich und geschätzt zu fördern, braucht es zwei Dinge: Nächstenliebe und Eier. Das lehrt meine Evolution. Das mit den Eiern hat seit November 2003 sowieso einen Beigeschmack, als ein weltbekannter Torwart meinte, sowas bräuchten Bayern, wenn man ein Fußballspiel im Ruhrpott gewinnen will.
Woher ich das wieder weiß? Ernsthaft Leute, die Besucher, die nicht mit dem Smartphone vor meiner Scheibe stehen und googlen, die lassen ihre Zeitschriften und Zeitungen gerne auch mal vor meinem Fenster liegen. Und Lesen kann ich übrigens, weil ich’s halt kann. Und Fußball interessiert mich übrigens, weil’s mich halt interessiert. Naja, und im äußersten Notfall frage ich eben diesen Paten nach Antworten…
Wie Namen zustande kommen
Also, wo waren wir? Achja, bei den Eiern. Es braucht also Eier, die Nächstenliebe auch zu kommunizieren. Da kann dann sicherlich ein großes Maul wie meins nicht schaden.
Nun nennt mich der Pate charmant »Pferdefresse«. Willi heiß ich nur, weil »Pferdefresse« kein anerkannter Name sei, Willi hingegen schon. So sei das in der normalen Welt, manche Marken hätten richtige Namen, manche Abkürzungen, andere hätten Fantasienamen und wieder andere haben gar keinen Namen. Alles besser, als einen nicht anerkannten Namen zu haben… scheinbar… Ich habe also einen richtigen Namen, und einen Kosenamen. Einen richtigen, den der deutsche Alt-Comedy-Star Heinz Erhardt schon getragen hat… der war scheinbar auch mal witzig… aber das war halt vor 50-60 Jahren.
Damals war auch Walt Disney witzig. Der lebt zwar ebenfalls nicht mehr, trotzdem heute noch komisch. »Findet Nemo« zum Beispiel, sagt der Pate, sei ein großartiger Film. Ha, der Pate schaut also Animationsfilme für Kinder. Freak.
Der Pate zitiert einen Clownfisch. Kindisch ist das! Einen Fisch zu zitieren, der inzwischen mehr auf Federmäppchen von Grundschülern zu finden ist als in seiner natürlichen Umgebung. Der Clownfisch hat sich bereits zu einem Star, zu einer Premiummarke entwickelt, scheffelt richtig Kohle. Schwimmt selbst hier in meiner Nachbarschaft im Zoo in so einer Art VIP-Rifflandschaft. Während ich gerade mal meine schon beschriebenen 1000 Liter Wasser habe, und aus.

In eine Marke verliebt man sich,
weil sie bemerkenswert ist.
Weil sie durch Evolution statt Revolution
auffällt.
Storytelling oder Trittbrettmarketing?
Ja, ich weiß, reicht ja für ne Stunde spazieren schwimmen.
Ich, vielmehr meine Gattung, hätte bei »Findet Nemo« mitgespielt, meint der Pate, müsse mich aber nicht wundern, dass das vielen nicht groß aufgefallen sei, weil das Seepferdchen generell nicht viel gesprochen hätte. Nur einmal hätte Vater-Seepferd mit Baby-Seepferdchen, sein Name ist Egon, gesprochen. Egon sei ein Motivator, mutiger Vormacher. Er schwimme als erster über den Abgrund, halte anderen frech den Spiegel vor, um sie zu Höchstleistungen zu motivieren, lasse sich überbieten und sei am Ende genügsam mit dem letzten Platz, weil er eben lieber alle im Spiel wissen will und ihm der Wettbewerb egal zu sein scheint. Kritik treffe ihn. Naja, und irgendwer gab ihm offensichtlich den Namen Egon.
Sein Vater heiße übrigens Knut, und er sei stolz auf sein Baby. Knut, ein wesentlich merkwürdigerer Name. Der ist mittlerweile jedem Zootier bekannt. Ich verbinde mit dem Namen die Revolution der Zoo-Vermarktung, die erste Eisbär-Social-Media-PR-Kampagne, und das erste Tier, das Tausende von Followern und Fans gehabt hat, obwohl die meisten davon ihn nie live gesehen haben.
Der Name Knut steht also für den Auftakt von gutem Storytelling aus dem Zoo und sei deshalb kein guter Name für »sein Projekt«, sagt der Pate. Er kopiere nicht, sagt er.
Und Egon? »So heißt heute kaum mehr jemand, das war Anfang der 30er Jahre beliebt. Das klingt also »old school««, sagt der Pate. Ein bisschen »outa date« halt, you know?
Kurz zum Knackpunkt: In dem Disney-Film jedenfalls will Seepferdchen Knut dem Clownfisch Marvin gut zusprechen, der gerade eben seinen Sohn zum ersten Mal in die Schule gebracht hat und ihn alleine mit Lehrer und Mitschülern an die Riffkante ziehen lassen muss. »Du hältst dich ganz gut fürs erste Mal, Marvin«, sagt Seepferd zu Clownfisch als der erfährt, dass die ganze Schulklasse zum Abgrund schwimmt. »Beruhige dich«, ruft Knut dem panisch werdenden Marvin nach. Da dreht der sich um und kontert: »Erzähl mir du nichts von beruhigen, Pferdefresse!«.
»Pferdefresse«?! Solche Worte in eine Kinderfilm? Was in einem Kinderfilm für Erheiterung und Spaß sorgt, kann im echten Leben nur guttun, meint mein Pate-Razzi, denn er ist schon wieder am Fotografieren.
Aus Knut und Egon wurde Willi – und »Pferdefresse« ist mein Kosename. Wäre es eine Beleidigung, wäre es nicht Teil eines Kinderfilms, sagt mein Namensgeber. Trittbrettmarketing nenne man das außerdem… Ich nenne ihn Fachsimpel!
Ein Held braucht einen Namen
Weshalb ich den Paten gerne auch mal provoziere? Leute, hört mal, ihr nennt mich Pferdefresse, lasst Kinder darüber lachen und weil euch das noch nicht reicht: tötet ihr uns zu medizinischen Zwecken. Jaaaaa, jetzt ist nämlich mal Schluss mit Kinderfasching, jetzt geht’s mal um Fakten, die nicht auf der Tafel neben meinem Aquarium stehen oder durch irgendeine Debatte um meinen Namen unter den Tisch fallen: Nach Schätzungen des NIO werden jährlich rund 20 Millionen Seepferdchen illegal gehandelt. Größter heimlicher Exporteur ist mit 1,3 Millionen Tieren pro Jahr Indien. Ein Kilo – rund 100 von uns – kosten beispielsweise in den USA, mit ihrer großen chinesischen Gemeinde, bis zu über 150 Euro. Das ist ziemlich asozial, um es ganz deutlich zu sagen.
Sonst nämlich fotografiert ihr uns, weil ihr uns süß findet. Weil es sogar selten geworden ist, dass ihr uns überhaupt trefft. Ja, meine Fresse, was wollt ihr eigentlich?
Ist euch mal bewusst geworden, dass ein Seepferdchen nicht nur süß ist, sondern darüber hinaus eine Auszeichnung? Weshalb heftet ihr euch uns sonst als einen eurer ersten Helden-Orden des Lebens an: Für 25 Meter schwimmen, einen Sprung vom Beckenrand und ein bisschen Tauchen in schultertiefem Wasser? Für Kinder sind das die wahren Heldentaten – und wir drücken diese Heldentaten aus. Übrigens, kleine Randnotiz: In Österreich nähen sich die kleinen Helden meinen Freund, den Pinguin auf – muss an den Wassertemperaturen in den arschkalten Bergseen liegen. Pinguine sind auch krass schräge Vögel. Können nicht fliegen und faszinieren dennoch die Massen.
Naja, uns hat die Natur zum Fisch gemacht, als Pferd. Nicht einmal Augenlieder hat sie uns gegeben – und trotzdem soll ich jetzt ein Auge zudrücken, wenn es darum geht, verspottet, verhöhnt, verkauft und verspeist zu werden?
Keiner ist wie der andere
Sorry, das musste ich kurz in eigener Sache loswerden. Wo war ich eigentlich? Ach, bei dem Eier-Thema: Bei uns Seepferdchen ist es, wie schon gesagt, üblich, dass die Männer die Eier austragen. Die 1er-Ehe ist unter unserer Gattung zumal sehr verbreitet, das heißt, selbst wenn die Kinder auf der Welt sind, bleibe ich bei meinem Seestütchen. Nur in Ausnahmesituationen wende ich mich einem neuen Weibchen zu. Mir ist hingegen zu Ohren gekommen, dass ihr Menschen unter anderem solche Ausnahmesituationen zur Regel macht…
Jedenfalls, worauf ich hinaus will ist, es schadet nicht, Werte und Prinzipien zu haben – und Eier natürlich.
Der Kern liegt nämlich tiefer. Er ist nicht immer gleich offensichtlich, nur weil man den Namen eines Wesens kennt. Da musst du halt eintauchen in diese Welt, um sie zu verstehen. Sonst wäre doch jeder Willi wie der andere. Über Wasser und unter Wasser. Und jetzt Schluss mit dem Marken- und Identitäts-Geschwätz. Pate, du bist derjenige, der aus einer Pferdefresse eine Marke machen will. Willi heißt sie… Jedenfalls hat dieses Kind, dank ihm, jetzt also endlich einen Namen. Und so fängt in eurer Welt nunmal alles an.
Die Marke hat einen Namen. So beginnt der Kreislauf… Wir alle identifizieren gerne das, was wir mögen und schätzen. Deshalb benennen wir es in der Regel nach Vorbildern, Idolen oder nach Gefühl. Ab dem Zeitpunkt, ab dem wir eine Person, eine Sache oder ein Projekt benannt haben, fangen wir an, es uns regelmäßig ins Bewusstsein zu rufen. Ein wichtiger Schritt, um eine Love Brand daraus zu machen. Love Brand sind unsere Herzensangelegenheiten. Die Dinge, die uns antreiben, die wir uns zu eigen machen – und die über einen wirtschaftlichen Nutzen hinaus gehen. Jeder Mensch hat Herzensangelegenheiten, um die er sich gerne kümmert und die zum Kern einer Marke gehören.
Food For Thoughts
Ausserdem gibt’s den Blog-Artikel als Audio-Podcast auf