Willkommen, zum nächsten »Pferdefresse«-Blog-Beitrag. Im vergangenen Artikel habe ich mich bewusst zurückgehalten und meinem Herzensprojekt Raum verschafft, um sich selbst vorzustellen. Heute beginnt der Dialog zwischen mir und meiner Herzensangelegenheit. Ich darf so viel verraten: Willi hat nicht umsonst die Figur eines Fragezeichens. Er hinterfragt alles. Sinn und Zweck in erster Linie – und das ist gut so. Denn, eine starke Marke weiß, was sie will. Attraktive Ziele zum Beispiel.

Keine Lust zu Lesen? Hier ist die Audio-Datei zum folgenden Blog-Beitrag:

Wer mehr will, braucht ausgewogene Ziele.
Wer sie erreichen will,
fragt nach Hilfe.

Rares ist Wahres

Hier bei mir, vor meinem Aquarium, bleiben viele Menschen stehen. Große, Kleine, Schlanke, Kräftige, mit Haaren, ohne Haare, noch vor wenigen Jahren deutlich mehr ohne Tattoos als mit. Heute ist vieles anders. Und morgen wird es wieder anders. Das weiß ich.
Woher? Ich bitte euch, ein bisschen Wahrscheinlichkeitsrechnung gepaart mit etwas Menschenverstand und schon kommst du auf die Lösung. Da muss man heutzutage keine 100 Jahre alt mehr werden, wie mein Kumpel Dude, die Schildkröte. Mir reichen vier bis sechs Jahre. Damit überlebe ich so ungefähr 3.726 Trends, das sollte doch reichen, oder?

Bei all den Reizen, die sich da heutzutage hinter einer Scheibe abspielen bin ich fast froh, dass meine keine Touchfunktion hat. Zugegeben, für viele ist alleine das schon schwer genug zu begreifen: Es tatschen, wischen und zoomen, ja Zoomen – so mit zwei Fingern und so – schon genügend an dem Glas zwischen uns rum. Unheilbare Symptome des 21. Jahrhunderts…

Wenn ich jedes Mal nach Vorne schwimmen würde, wenn jemand meine Scheibe berührt, hätte ich viel zu tun, wenngleich mir die Intelligenz eines Smartphones zugesprochen werden würde. Aber meine Besucher würden wohl nur noch schwer begreifen, dass es mich nicht nur im Netz gibt. Ihr Menschen kommt inzwischen schon selten genug vor die Tür, um euch an besonderen Seltenheiten zu erfreuen.

Glaube

Ein paar tun es allerdings doch. Mein Pate zum Beispiel. Oder der Pastor, der kürzlich bei mir war. Der Geistliche blieb sogar ausgesprochen lange. Weshalb? Taufe ist Quatsch, wenn du wie ich sowieso den ganzen Tag mit dem Kopf unter Wasser bist. Außerdem, einen Namen hatte ich schon. Willi, für die, die es vergessen haben. »So vieles beginnt im Leben mit einem Willi«, hörte ich schon Leute scherzen. Das zu vertiefen, wäre aber eine gaaaanz andere Geschichte.

Der Pastor jedenfalls, er betete. Vor meiner Scheibe. Mit geschlossenen Augen und offenen Händen. Ich gebe zu, es ist schwierig, euch Menschen zu verstehen. Und das liegt jetzt nicht daran, dass ich als Ohren nur zwei kleine Schlitze habe. Es geht mehr um den Inhalt: Ihr betet für eine bessere Welt, für Gerechtigkeit, für Brot für die Welt oder für Nächstenliebe. Dann wiederum führt ihr Kriege im Namen von denen, die ihr anbetet. Oder ihr brecht ganz mit eurem Glauben, weil, wenn es nicht nach eurer Pfeife geht, sind die anderen schuld. Also die, an die ihr glaubt und die nicht unmittelbar greifbar sind.

Kein Wunder also, gebt ihr Sachen Namen, sobald ihr sie erschaffen habt. Wenn sie fehlgeleitet sind, könnt ihr den Schuldigen wenigstens direkt identifizieren. Ernsthaft, ihr gebt Kindern einen Namen, weil ihr der Meinung seid, er passt zu ihnen. Oder weil er euch gefällt. Und das noch bevor das Kind das erste Wort gesprochen, das erste Bild gemalt oder überhaupt einen Anflug von Persönlichkeit geäußert hat. Geschweige denn, dass es gefragt wird, ob ihm der Name gefällt. Das ist bissle strange, findet ihr nicht?

Dieser Pastor vor mir machte es nicht anders. Er schien ein ganzes Wir-werden-Eltern-Buch auswendig gelernt zu haben, für so viele Namen betete er. Doch am meisten dachte er an sich: Er wünschte sich Kraft und Eingebung auf dem Weg, die Schafe wieder in eine Richtung zu lenken, die er »Glaube« nannte. Zu viele seien in der Vergangenheit spirituellen Orten fern geblieben. »Herr, behüte die verloren gegangenen Schafe, denn sie wissen nicht, was sie tun.« – Jetzt wird’s bisschen absurd, dachte ich, steht vor meinem Fenster, und will Schafe hüten. Kumpel, wenn du einen Streichelzoo suchst, hier bist du falsch. Der Schau-Bauernhof ist am anderen Ende des Geländes. Er ging tatsächlich weiter in diese Richtung.

Ziele sind das Yoga einer Marke.
Wenn sie aus dem Gleichgewicht kommen,
wird es meist sehr schmerzhaft.

Inspiriere

Ich hätte dem Gottesmann gerne die Yoga-Lehrerin vorgestellt, die kurz nach ihm kam. Samt Gefolge. Offenbar hatte sie das, was er nicht hatte: Zulauf. Die ganze Gruppe strahlte so viel Energie aus, dass meine Wassertemperatur um ein Grad anstieg. Zumindest bildete ich mir das ein. Unbeschwert, ausgeglichen und mit Körper UND Geist im reinen waren die Yogis offenbar auf der Suche nach Inspiration für neue Figuren. Sie gingen relativ schnell weiter, denn einer der Schüler meinte, die Figur Seepferdchen gäbe es bereits. »Hm«, dachte ich, während ich mich mit dem, und das sage ich jetzt bewusst anders als geplant, MIT DEM ENDE MEINES KÖRPERS an einer Koralle festhielt, »ganz schön kreativ diese Yoga-Freunde«. Ich persönlich konnte für mich festhalten: Coole Outfits, krasse Ausstrahlung und keine Klangschale – das war ein weiterer Pluspunkt. Denn diese Dinger mag ich nicht, sind höllisch laut unter Wasser und bringen alles zum Schwingen. Nix da mit Balance.

Interessant fand ich noch einen Gesprächsfetzen, den ich aufschnappen konnte, kurz bevor die Truppe Richtung Fischwelt im Indischen Ozean weiterzog: Yoga kommt ursprünglich wohl aus Indien und ist mehrere Tausend Jahre alt. Die Seefahrer transportierten Yoga über die Meere in die ganze Welt. »Wie transportiert man Yoga, bitteschön?«, fragte jemand neugierig und auch ich war gespannt, während in meinem Kopf die Piraten großartige Choreographien aufführten. »Als Wissen«, lautete die Antwort. Meine Gedankenblase platzte – aber so ist das eben, wenn Spiritualität auf Intellekt trifft. Zumindest bei mir. Wohl wissentlich, dass Wissen Macht ist, wissen viele Menschen offenbar noch nicht alles, was sie wissen müssen, um mächtig zu sein. Man lernt nie aus. Wenn man will.

Profitiere

Es dauerte eine Weile, bis ich wieder Bewegung vor meiner Scheibe wahrnahm. Es war auch eher weniger Bewegung als vielmehr Präsenz. Da stand auf einmal ein Typ, verschränkte Arme, hüftbreiter Stand, überzeugter Blick. Seine kleine Tochter vor ihm, behütet bis abgeschirmt. Selbstlos opferte sich der Mann als Schutzwall, damit seine Prinzessin den exklusiven Blick auf mich hat und sich kein Prinz dazwischendrängen konnte. Nach ein paar wenigen Augenblicken drehte sich das Mädchen zu ihrem Papa um und sagte: »Darf ich ein Seepferdchen haben?« – Ich dachte, ich hör‘ nicht recht, die Kleine leidet jetzt schon unter Größenwahn… Im Seepferdchen-Sprint galoppierte ich in Minuten hinter einen Stein, denn Willi gehört niemandem. Free Willi, quasi. Aber wie erklärt man das einem Kind?

Ich gar nicht. Ihr Vater unternahm zumindest einen Versuch und erklärte ihr, so einfühlsam wie das aus einem stabilen Stand heraus eben geht, dass man sich mit Geld alles kaufen könne, was man will. Logisch, jetzt wollte das Mädchen Geld. Dass das nicht so einfach war, war die nächste schmerzliche Lektion für meinen Junior-Bewunderer: Erst kommt der Fleiß, dann die Belohnung. Ihr erstes Seepferdchen würde sie schon bald voller Stolz mit sich herumtragen dürfen, sagte er, wenn sie ihre Schwimmprüfung bestehen würde. »Ich will aber eins zum Anfassen«, erwiderte sie. Jetzt war ich gespannt, wie der Alte aus der Situation wieder rauskommt. Weil ich mich aktuell in meinem Aquarium noch sehr sicher fühlte, kam ich wieder heraus und zeigte mich durchaus etwas provozierend in voller Pracht.

Der Herr Papa, gar nicht doof, legte den nächsten Köder fürs Kind aus: Wenn sie das nächste Mal mit einer guten Note aus der Schule nach Hause komme, könnte es sein, dass es im Tausch dafür ein Kuscheltier gibt. Und natürlich würde er sich persönlich darum bemühen, dass es ein Seepferdchen sein würde. »Wie soll ich mit sowas Kleinem kuscheln?«, fragte sie offensichtlich immer noch unbefriedigt. Dann holte der Mann zum entscheidenden, taktischen Manöver aus: Er sagte ihr, dass der Papa genau deshalb arbeiten gehe, damit er das Geld verdienen könne, das es braucht, um bald wieder in den Urlaub fliegen könnten. An den Strand, ans Meer, da hin, wo die Seepferdchen leben. Besitzen, beziehungsweise mitnehmen, könne sie dann zwar keins, aber immerhin gehöre sie zu den Menschen auf der Welt, die die Möglichkeit hätten, überhaupt in den Genuss zu kommen, an die Plätze der Welt zu reisen, an denen meiner Eins zu finden sei. Das schien zu fruchten, denn das Töchterchen fing sofort an, den Papa zum Gehen zu motivieren: »Dann lass uns schnell gehen, damit du wieder arbeiten kannst.« Und weg waren sie. Meine guten Wünsche für ihre Schwimmprüfung begleiteten sie.

Emotionalisiere

Der vierte Besucher in dieser Runder war bereits ein Bekannter: der Pate. Mit einem breiten Lächeln grüßte er mich: »Meine liebe Pferdefresse« – ähm ja, ich dich auch. Nach einem kurzen Moment der Zweisamkeit stand also das eine Herzblatt auf der einen Seite der gläsernen Wand, das andere (ich) baumelte auf der anderen in der extra für mich künstlich erzeugten Strömung hin und her. Und dann fasste ich für ihn mein Erlebtes wie Susi bei Herzblatt kurz zusammen. Was der Pate daraus machte? Eine ganz sachliche, furztrockene Analyse: Der Mensch brauche Ziele.

Immer mehr Menschen würden sich auf eine Art Reise begeben, um den Glauben wieder zu entdecken. In sich oder gar in etwas Spirituellem. Andere würden reisen, um dazuzulernen. Über sich oder gar etwas Intellektuelles. Sicher gäbe es auch die, die Reisen, weil sie nach mehr streben. Nicht nach Meer mit Doppel-E, sondern nach mehr mit E-H. Das nenne sich dann Status. Für meinen Paten seien das alles Indizien, dass immer mehr Menschen offenbar auf der Suche nach etwas sind. Aber nach was?! Zufriedenheit, sagte der Pate zu mir, käme nicht durch den Heiligen Geist alleine. Erfüllung für Körper und Geist bekäme man auch nicht alleine durch altindische Praktiken. Und ebenso wenig würde der Sinn des Lebens allein durch materielle Dinge bestimmt.

»Also, was braucht ihr Menschen noch?«, wollte ich wissen. Gefühle, hieß es. Oh-oh. Will er mir jetzt einen Antrag machen, oder was?! Ich glaube nicht, dass das legal ist. Außerdem, gerade erst habe ich mich an das Paten-Ding gewöhnt. Wenn ich das richtig verstanden habe, macht er mit mir ja genau das, was die anderen drei Besucher für sich beanspruchten: Er glaubt an eine bessere Welt für mehr Seepferdchen, er verbreitet Wissen über mich, um zu sensibilisieren und er investiert in die Patenschaft, damit ich auch jeden Tag sicher meine Portion Krabben bekomme. Keine TK-Ware, wie bei ihm zuhause. Ich krieg frische. Er investiert also in einen Status, nämlich in meinen.

Für ausgewogene Ziele braucht es
Intellekt, Gefühle, Energie und auch einen Status.

Spaß macht schwerelos

Als ich das so oder so ähnlich kurz anbrachte, lachte meine Pate kurz und sagte nur: »Jetzt hast du es fast begriffen. Was jetzt noch fehlt ist Spaß und Freude. Alles in Allem macht dich das ausbalancierte Paket zur Love Brand.« Was labert der da? Zu was?!

»Du bist eine meiner Lieblingsmarken, Willi. Und Lieblingsmarken verdienen es, entwickelt zu werden. Hast du Bock, dich zu entwickeln?«
»Naja, meine Lebensdauer ist begrenzt, mein Horizont auch, meine Lebensgeschichte als Zootier schnell erzählt. Zumal hier um mich rum in den Aquarien noch ein paar Statisten anderer Arten umherschwimmen. Wär‘ an und für sich schon ganz geil, wenn du es schaffen würdest, dass die Leute nur wegen mir kommen.“

»Das ist die Idee. Wir beschäftigen uns individuell mit dir. Mit deiner Identität, mit deiner Philosophie und deinen Zielen. Wir balancieren Spiritualität, Intellektualität, Materialität und Emotionalität aus. Das ist wichtig fürs Gleichgewicht.«

»Hä?! Ich fühle mich im Wasser schwerelos und habe Flossen, die mich selbst in der Strömung aufrecht halten. Was hilft mir der Glaube? Was hilft mir Wissen?? Was helfen mir Emotionen??? Was hilft mir zum Beispiel ein größeres Becken, wenn es doch wieder Grenzen hat? An und für sich habe ich alles, was es zum Leben braucht!«

»Da hast du Recht. Nur, weshalb kommst du trotzdem jeden Tag bis vor an die Scheibe und zeigst dich?«

»Ich muss mich positionieren, sonst bin ich der Statist. Hab‘ ich schon erlebt hier drin: Statisten tauschen sie schneller aus als ihnen lieb ist.«

»Korrekt. So läuft das auch in der Welt da draußen. Wenn du nichts Besonderes bist, nichts Besonderes machst, nichts Besonderes hast und auch nichts Besonderes tust, dann bist du weg vom Fenster. Ich helfe dir dabei, das Besondere zu entdecken und zu teilen.«

»Alles klar Pate, eins ist sicher: Auf den täglichen Krabbencocktail möchte ich in keinem Fall verzichten. Egal, was ich dafür tun muss. Machen wir ruhig das Love Brand-Ding, von dem du da erzählst. Wenn du dich dadurch ausbalancierter fühlst. Ich kann’s mir ja mal weiter anhören…«

Ja, Willi ist meine Love Brand. Weil er so ist, wie er ist. Natürlich will er gefallen, natürlich hat er ganz unterschiedliche Ziele und natürlich will er mehr von allem. Mehr geht immer. So ist das in der Welt der Marken auch. Sie brauchen einen Sinn und Zweck. Wir alle streben nach mehr – überall, jederzeit. Weil Stillstand ein Rückschritt ist. Wird also Zeit, sich aus der Welt der Massenprodukte zu verabschieden und eine Love Brand zu werden, oder nicht?

Ausserdem gibt’s den Blog-Artikel als Audio-Podcast auf